„Wir sind schon vergiftet, aber Sie haben noch Zeit!“

In Argentinien wird auf gigantischen Felder gentechnisch veränderte Soja für den deutschen Markt angebaut. Flugzeuge besprühen die Gensoja mit dem Pestizid Glyphosat und setzen auch die in der Umgebung lebenden Menschen dem Giftregen aus. Welche Verantwortung wir dafür tragen, haben wir einem Fachgespräch erörtert.

28.09.12 –

Welche Risiken birgt der großflächige Anbau von Gensoja in Argentinien für Mensch und Umwelt? Was ist der Zusammenhang zwischen dem Soja-Boom in Südamerika und der steigenden Fleisch- und Milchproduktion in Deutschland? Und welche Rolle nimmt das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ein? Diese und weitere Fragen erörterten Fachleute während eines öffentlichen Fachgesprächs der grünen Bundestagsfraktion am 13. September 2012. Der Einladung des Abgeordneten Harald Ebner zur Veranstaltung „Vergiftete Felder - Gensoja in Argentinien“ waren zahlreiche Interessierte gefolgt.

Renate Künast kritisierte in ihrem Einführungsvortrag die Auswirkungen der Agro-Gentechnik in Südamerika. Das Geschäftsmodell der Gentechnik-Konzerne gefährde die Gesundheit der Lokalbevölkerung und verschärfe die Abhängigkeit von Pestiziden.

Die Argentinierinnen Sofia Gatica und Maria del Milagro von den „Müttern von Ituzaingo“ schilderten in eindringlichen Worten die bedrückende Situation der Menschen, deren Siedlungen inmitten riesiger Soja-Felder liegen. Die Sojapflanzen sind gentechnisch verändert und können deshalb das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat überleben. Seit Einführung dieser Gen-Soja hat sich deshalb der Glyphosat-Einsatz in Argentinien  verzehnfacht. Der Herbizid-Nebel erreicht auch die Häuser von Ituzaingo. "Früher hatten wir in jeder Großfamilie einen Krebsfall, jetzt sind es sogar drei bis vier“, beschrieb Sofia Gatica, Trägerin des Goldman-Umweltpreises, das Ergebnis ihrer Recherche, bei der die Mütter von Ituzaingo von Haus zu Haus gingen. Von der Regierung und Justiz fühlten sich die Mütter allein gelassen, zu viel Geld und Steuereinnahmen brächte der Soja-Export ein. Beide warnten auch die deutschen VerbraucherInnen: „Das Gift kommt auf die Soja, die Soja wird von Tieren gefressen und gelangt irgendwann in Eure Lebensmittel!“

„Zwei Drittel aller EU-Agrarimporte sind Futtermittel, davon mehr als die Hälfte Soja“ bestätigte Thomas Fritz vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika. Neben der Belastung durch Pestizide warnte Fritz vor der Zerstörung von Naturräumen durch die voranschreitende Soja-Front. Erfreulicherweise wachse zwar auch in den Anbauländern der Widerstand gegen die einseitige Soja-Ausrichtung, hohe Rohstoffpreise auf den Weltmärkten machten allerdings die Sojaproduktion attraktiv. Als Hauptimporteur der Gensoja trage die EU Mitverantwortung für die Missstände in Argentinien. Zudem habe die EU den Aufbau der Soja-Produktion in Lateinamerika aktiv mit Fördergeldern vorangetrieben. Dr. Steffi Ober (NABU) skizzierte in ihrem Vortrag die wissenschaftlichen Belege für die Risiken von Glyphosat „Das Problem ist die fehlende Unabhängigkeit der Forschung“, hob Ober hervor. Die meisten Studien über Glyphosat und andere Pestizide stammten von den Herstellern selbst, was die Objektivität der Ergebnisse massiv in Frage stelle.

Harald Ebner wies in seinem Schlussbeitrag auf die Bedeutung von Glyphosat als „Schlüsselpestizid“ hin. Das schwarz-gelbe Agrarmodell sei von billigen Futtermittelimporten und Herbiziden wie Glyphosat abhängig. Deshalb kämpfe die grüne Bundestagsfraktion für eine grundlegende Reform der Agrarpolitik. Die Bundesregierung behalte jedoch stur ihren industriellen Landwirtschaftskurs bei. Auch wenn sich Ministerin Aigner mit Blick auf die bayerische WählerInnenklientel als "Gentechnik-Gegnerin" inszeniere, auf EU-Ebene stütze die Bundesregierung weiter die Agrogentechnik. Programme und Gelder zur Förderung einheimischer Eiweißpflanzen oder zur Unterstützung des Qualitätszeichens "ohne Gentechnik“ blieben dagegen aus.

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Agrogentechnik | Glyphosat | Pestizide