BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Harald Ebner, MdB

Persönliche Erklärung zum NPD-Verbot

Mit dem von Bund und Ländern zusammengetragenen Material können die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinsichtlich eines Parteienverbotes erfüllt werden. Die Erfolgschancen eines Verbotsantrages sind gegeben. Daher habe ich dem Antrag der SPD zugestimmt.

25.04.13 –

Persönliche Erklärung gemäß § 31 GO-BT zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes i.V.m. § 13 Nummer 2, § 43 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes BT-Drs. 17/13227

Mit dem von Bund und Ländern zusammengetragenen Material können die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinsichtlich eines Parteienverbotes erfüllt werden. Die Erfolgschancen eines Verbotsantrages sind gegeben. Daher stimme ich dem Antrag zu.

Bund und Länder haben auf 1000 Seiten Material über die NPD zusammengetragen. Das Material genügt den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die „Quellenfreiheit“. Das Gericht hat 2003 verlangt, dass V-Leute vor dem Stellen des Verbotsantrags abgeschaltet werden und nur „bereinigtes Erkenntnismaterial“ vorgelegt wird, d.h. der Antrag darf sich nicht auf mündliche Äußerungen oder Schriften von V-Leuten beziehen. Alle Innenminister haben eine Abschaltung der V-Leute zum 1. April 2012 erklärt und anders als beim ersten Anlauf ist diesmal das Bemühen um „Staatsfreiheit“ des Beweismateriales evident. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es zwar nie geben können, sie verlangt das Gericht aber auch nicht. Es will nur nicht unwissentlich seine tragende Beweisführung auf staatlich beeinflusste Quellen stützen.

Das Parteiverbot in Art. 21 Abs. 2 GG ist ein präventives Instrument. Zweck ist eine Sicherung der Verfassung vor zukünftigen Gefahren. Mit Hilfe des Materials ist belegbar, dass von der NPD eine konkrete Beeinträchtigung der freiheitlichen Grundordnung ausgeht, also die Partei verfassungs- und demokratiefeindliche Ziele politisch durchsetzt. Die Aussagen von prominenten NPD-Protagonisten, weiteren Funktionären, einfachen Parteimitgliedern und Materialien wie das Parteiprogramm oder Broschüren belegen eine Feindschaft gegenüber Demokratie und Verfassung. Antisemitische, rassistische, islam- und menschenfeindliche Äußerungen dieser Partei zielen darauf ab, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.

Einen Fehler begeht, wer die NPD isoliert betrachtet. Denn es sind nicht die Wahlergebnisse, die jeweils zu Verbotsanträgen geführt haben. Es war die Gewalt auf der Straße, es waren die brennenden Flüchtlingsheime und es ist jetzt der Rechtsterrorismus, der ihr angelastet wird. Diese Partei ist aggressiv kämpferisch in ihrem Vorgehen. Sie ist der parlamentarische Arm der sogenannten freien Szene und begreift sich als integraler Bestandteil einer gewalttätigen nationalsozialistischen Bewegung.

Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hat es eine Weiterentwicklung gegeben. Er verlangt in seiner Rechtsprechung eine Konkretisierung der schon eingetretenen Gefahr für die Demokratie, ein Verbot muss „notwendig“ sein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte versteht den Begriff der „Notwendigkeit“ als "dringendes gesellschaftliches Bedürfnis" („pressing social need“). Zur Beurteilung der „Notwendigkeit“ zieht der EGMR zum einen die Ziele der Partei heran und zum anderen die Mittel, mit denen diese Ziele verfolgt werden. Eine Konkretisierung der Gefahr für die Demokratie kann auch in der Nähe der Partei zu Gewalt und Terrorismus liegen. Parteien, die die demokratische Grundordnung des Staates zerstören wollen und/oder ihre Ziele mit Gewalt durchsetzen oder durchsetzen wollen, können sich nicht auf die Menschenrechtsgarantien der Konvention berufen.

Beim Vortrag vor Gericht wird es daher entscheidend darauf ankommen, darzulegen, dass der Übergang von der NPD zu den „Kameradschaften“, zur gewalttätigen freien Szene, fließend ist. Man agiert bewusst und gewollt arbeitsteilig und verfolgt identische Ziele. Man bewegt sich in derselben subkulturellen Musikszene, die der Haupt - Rekrutierungsfaktor für das rechtsextreme Milieu ist. Rechtsextreme sind auf dem Weg - auch mit Gewalt gegen Minderheiten, gegen Parteibüros demokratischer Parteien, gegen Exponenten der Zivilgesellschaft – Dominanzgebiete, „national – befreite Zonen“, „völkische Siedlungsräume“ zu schaffen. Die geforderte Bedrohung der Demokratie ist leider nur allzu konkret und alltäglich.

Unabhängig von der politischen Frage, ob es vorstellbar ist, dass ein europäisches Gericht nach unserer Historie es der Bundesrepublik untersagt, eine Nazipartei zu verbieten, kann festgestellt werden: Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verlangt eine präzisere Begründung der konkreten Gefährdung der Demokratie, ist aber kein Hindernis für ein erfolgreiches Verbotsverfahren.

Der Bundestag darf die Länder in Karlsruhe nicht alleine lassen, wie es die Bundesregierung tut. Die Länder haben das Einreichen des Antrages bei Gericht für Juni 2013 angekündigt.  Es geht also nicht mehr um ein „Ob“ des Antrages auf Verbot, sondern um das „Wie“ des Auftretens in Karlsruhe. Mehr Antragsteller können nach Aussagen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts eine vielschichtigere Argumentation vortragen. Nur der Bundestag kann Erkenntnisse aus dem NSU-Untersuchungsausschuss und der Zivilgesellschaft einbringen. Das Nicht-Stellen eines eigenen Antrages, nach monatelanger Prüfung des Materiales und der Rechtslage, nach kontroverser Debatte im Plenum, würde als eine Distanzierung von dem Schritt der Länder verstanden werden.

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Bundestagsreden | Persönliche Erklärungen

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