Haushaltsplan Ernährung und Landwirtschaft: Viele verpasste Chancen

Harald Ebner kritisierte bei seiner Rede vor dem Bundestag zum Haushaltsplan des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die vielen verpasste Chancen zum Umsteuern in der Agrarpolitik. Bei der Förderung des Ökolandbaus etwa bleibe Minister Schmidt weit hinter dem zurück was auch der Deutsche Bauernverband fordere. Wir brauchen die Agrarwende sowohl aus ökologischer wie auch aus ökonomischer Sicht. Im Haushalt müssen Schwerpunkte bei Forschung und Innovationen im Ökolandbau und im nichtchemischen Pflanzenschutz, für mehr Tierwohl, zukunftsfähige Tierhaltung und eine bäuerliche Landwirtschaft gesetzt werden. Bundestagsrede Harald Ebner Haushaltsplan Ernährung und Landwirtschaft Viveo

25.11.16 –

Bundestagsrede Harald Ebner zum Haushaltsplan des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt,

das ist laut Horst Seehofer Ihr letzter Haushalt im BMEL – und das ist auch gut so. Kürzlich titelten die Zeitungen „Dramatischer Rückgang: Tiere verschwinden von der Erde“. Laut einer WWF-Studie gibt es heute nur noch ein Fünftel der Fische und Frösche, die vor 40 Jahren existierten. Bei der Insektenbiomasse sieht es nicht besser aus. Warum sage ich das? Der ökologische Zustand unserer Welt hängt entscheidend auch davon ab, wie wir Landwirtschaft betreiben, unsere Lebensmittel erzeugen und was wir essen. Aber die Chance, hier etwas zu ändern, verpasst dieser Haushalt erneut. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das gilt auch für den Klimaschutz; Kollege Kindler hat es schon ausgeführt. Anfang Oktober hatten wir uns hier im Hohen Haus verpflichtet, die Erderwärmung zu begrenzen, die Klimakrise aufzuhalten, aber Sie, Herr Minister Schmidt, haben dann dafür gesorgt, dass die Landwirtschaft eben nicht den notwendigen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Sie haben aus Barbara Hendricks’ Klimaschutzplan einen Klimaschmutzplan gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) So sieht auch dieser Haushalt aus. Es werden schon wieder keine Investitionen in Zukunftsprojekte gestartet. Schon wieder werden die Chancen verpasst, umzusteuern, und wie die letzten Jahre verharren Sie im Weiter-so, das doch schon bisher nichts gebracht hat. Das haben wir bei der Einbringung des Haushalts kritisiert, und auch jetzt sind hier keine Fortschritte zu verzeichnen, auch wenn es die Kolleginnen und Kollegen anders darstellen wollen. Es bleibt bei Kleckerbeträgen, die nichts mit den Ankündigungen zu tun haben. Zum Beispiel beim Ökolandbau: 20 Prozent haben Sie, Herr Schmidt, angekündigt erreichen zu wollen. Das klingt gut, das klingt zukunftsgerecht. Die Mittel für das Bundesprogramm Ökologischer Landbau werden erhöht – wunderbar –, aber Sie satteln gerade einmal einmalig 3 Millionen Euro drauf, und damit bleibt das Programm mit 20 Millionen Euro bei einem mauen Drittel der Beträge, die sogar der Bauernverband im letzten Jahr für den ökologischen Landbau gefordert hat und die auch wir für sachgerecht halten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Aber wenn es doch keiner will!) Viel schlimmer ist aber, dass auch die vorhandenen Gelder dem Ökolandbau nur zum Teil zugutekommen. Zwei Drittel der Forschungsmittel im BÖLN sind im letzten Jahr in andere Formen der nachhaltigen Landwirtschaft geflossen, und das allein zeigt doch schon: Sie wollen gar nicht, dass da etwas vorangeht. Sie wollen kein funktionierendes Gentechnikgesetz. Sie wollen nicht mehr Tierschutz, Sie wollen auch keine Stärkung des Ökolandbaus. Vielmehr reden Sie nur davon. In anderen europäischen Ländern boomt die Biolebensmittelwirtschaft und verzeichnet Rekordzuwächse, in Frankreich beispielsweise plus 23 Prozent und in Dänemark plus 34 Prozent. Und Sie haben die letzten zwei Jahre was gemacht? Eine Debating Society zur Zukunft des Ökolandbaus gespielt. Jetzt soll bald eine Strategie fertig sein. Aber schade, zur Umsetzung haben Sie keinen Cent im Haushalt eingeplant. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit dem Umsetzen hapert es da ja immer. Vor zwei Wochen haben wir hier das Saatgutverkehrsgesetz beschlossen. Ihr Haus, Herr Schmidt, hat die Änderungen angepriesen: Sie stärke gartenbauliche Betriebe, den Erhalt alter Obstsorten und den traditionellen Anbau regionaler Sorten. Gute Ziele – unterstützen wir. Aber haben Sie eigentlich gemerkt, dass die Umsetzung auch Geld kostet? Das Gesetz regelt zum Beispiel die Erstellung einer Gesamtliste alter Obstsorten, inklusive Beschreibung. Dazu braucht es Fachwissen, dazu braucht es viel Arbeit. Es sind vor allem die bürgerschaftlichen Erhaltungsinitiativen, die diese alten Sorten mit viel Engagement pflegen. Die müssen von uns dabei unterstützt werden. In Ihrem Haushalt finden wir dafür aber genau nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Heute ist schon klar, dass das zuständige Bundessortenamt den hier entstehenden Arbeitsaufwand überhaupt nicht leisten kann. Und was machen Sie? Sie kürzen dem Bundessortenamt schon wieder die Mittel, statt sie aufzustocken. Da müssen sich doch sowohl die ehrenamtlichen Aktiven als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundessortenamts verschaukelt vorkommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, mit Verlaub: Die SPD feiert das Bundesprogramm Biologische Vielfalt im Etat des Umweltministeriums. Schön, bringt aber wenig, wenn gleichzeitig das BMEL keine Mittel in die Forschung an nichtchemischem Pflanzenschutz und die Beratung der Landwirte zur Nutzung alternativer Pflanzenschutzmethoden steckt. Denn der chemische Pflanzenschutz – das sagen die Wissenschaftler nach wissenschaftlichen Analysen – ist neben Strukturverlusten eine Hauptursache für den Rückgang der biologischen Vielfalt; und da müssen wir ran. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir begrüßen es, dass es ein Bürgschaftsprogramm für in ihrer Existenz bedrohte landwirtschaftliche Betriebe in den Haushalt geschafft hat. 58 Millionen Euro! Rechnen wir es doch einmal auf die einzelnen Betriebe herunter. Wenn alle mitmachen wollen, sind das 900 Euro pro Betrieb. Das funktioniert doch nur, wenn Sie einkalkulieren, dass die Mehrzahl der Betriebe keine Anträge mehr stellt, weil der Strukturwandel hier schon schneller war. Das zeigt: Statt nachlaufender Hilfen brauchen wir endlich politische Rahmenbedingungen, die Betriebe eben nicht in den ruinösen Kampf um die Preisführerschaft und zum Export drängen. Wir müssen rechtzeitig vorher grundlegend ansetzen, wenn wir unsere Betriebe erhalten wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen umsteuern. Wir brauchen die Agrarwende sowohl aus ökologischer wie auch aus ökonomischer Sicht. So müssen wir auch den Haushalt des Ministeriums ausrichten. Im Haushalt müssen Schwerpunkte gesetzt werden, zum Beispiel durch Zweckbindungen im Budget für Forschung und Innovationen im Ökolandbau, für den nichtchemischen Pflanzenschutz, für mehr Tierwohl. Wir brauchen mehr Mittel für zukunftsfähige Tierhaltung und eine bäuerliche Landwirtschaft statt einen steuerlich geförderten Ressourcenverbrauch, eine bessere Förderung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft – hören Sie doch auch an dieser Stelle einmal auf den Deutschen Bauernverband – und eine angemessene Mittelausstattung für ländliche Entwicklung und regionale Vermarktung. Dieser Haushalt der verpassten Chancen hat wieder einmal gezeigt: Die Große Koalition mitsamt ihrem Landwirtschaftsminister will es nicht, und sie kann es nicht. Es ist höchste Zeit, diesen Zustand zu beenden. Dankeschön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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