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22.03.13 –
Volles Haus in Berlin: Am 22. März 2013 lud die grüne Bundestagsfraktion zu einer Konferenz ein, um aus 20 Jahren kommerziellem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen Bilanz zu ziehen. Zahlreiche internationale ReferentInnen und über 200 TeilnehmerInnen folgten der Einladung in den Bundestag.
Die zentrale Fragestellung formulierte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast: Hat die Gentechnik eigentlich ihre großen Versprechen eingelöst, den Welthunger zu lindern und den Einsatz von Pestiziden zu senken? Gerade das Welthunger-Argument wurde von deutschen Gentechnik-Befürwortern in den letzten Monaten wieder sehr betont. Die Bilanz von Künast und den internationalen Expertinnen und Experten fiel einhellig aus.
In den USA, wo der Anbau vor allem herbizidtoleranter Gentech-Pflanzen verbreitet ist haben bereits 50 Prozent der Farmer mit „Super-Unkräutern“ zu kämpfen, die wegen des Dauereinsatzes von Unkrautvernichtungsmitteln inzwischen völlig unempfindlich gegen die Pflanzenschutzmittel geworden sind. Die Folge: dramatisch steigender Pestizideinsatz. Auch der Maiswurzelbohrer sei heute gegen das von gentechnisch verändertem „Bt-Mais“ selbst produzierte Gift (Toxin), zunehmend immun, fasste Dr. Christoph Then von testbiotech Daten des US-Agrarministeriums zusammen.
Erschreckende Zahlen kamen auch von Prof. Antonio Andrioli von der Bundes-Universität da Frontera Sul in Brasilien (UFFS). Zwar würden dort aktuell 90 Prozent der Soja- und 80 Prozent der Mais-Äcker mit gentechnisch veränderten Sorten bebaut. In den letzten Wochen habe es jedoch Ernteausfälle bei Mais und auch bei Baumwolle und Soja gegeben, weil wie in den USA Schädlinge gegen Bt-Toxine resistent geworden seien. Allein der Bundesstaat Bahia habe Schäden von 380 Mio. Euro gemeldet. Statt weiter auf die Gentechnik zu setzen, investiert Brasilien jetzt in großem Stil in agrarökologische Ansätze, etwa 500 Wissenschaftler betreuen mittlerweile 75 Studiengänge in diesem Bereich.
Die in Heidelberg habilitierte Genetikerin Dr. Suman Sahai von GeneCampaign aus Indien katalogisiert seit Jahren die genetische Vielfalt der indischen Landwirtschaft und hat über 3.000 Reissorten in regionalen Saatgut-Banken erfasst. Ihre Kernbotschaft: Statt auf mehr Vielfalt und mehr know-how in der Landwirtschaft bei Bodenpflege und Wassereinsatz setze die Gentechnik auf wenige Pflanzen und erhöhe damit die Risiken von Ernteausfällen für die Kleinbauern. Auch wissenschaftlich seit die Gentechnik veraltet, deshalb sollten Forschungsgelder für modernere Verfahren wie die markergestützte Selektion genutzt werden, mit denen schneller und billiger Sorten mit verbesserten Eigenschaften entwickelt werden können. Trotz Milliarden-Investitionen gebe es bis heute keine einzige trockenheitstolerante Gen-Reissorte, GeneCampaign testet dagegen aktuell 400 dürre-resistente, konventionell gezüchtete Reissorten.
Dr. Hans Rudolf Herren, Träger des Welternährungspreises und Koordinator des Weltagrarberichts, betonte ebenfalls die enorme Bedeutung der biologischen Vielfalt. Hätten Soja-Farmer in den USA 1995 noch aus 100 Sorten die für sie optimale Variante wählen können, ist das Angebot durch die Konzentration auf Gentechnik auf praktisch nur noch zwei Sorten zusammengeschmolzen. Diese aus Sicht von Herren „kriminelle“ Entwicklung sei maßgeblich durch die bei Gentechnik-Pflanzen übliche Patentierung von Saatgut bedingt. Dagegen würden Technologien wie die Mischanbautechnik „push & pull“ oder die Reisanbaumethode SRI (Sustainable Rice Intensification) nicht umgesetzt, obwohl mit SRI gerade ein neuer Ertragsweltrekord erzielt werden konnte, ohne Einsatz von Pestiziden oder Kunstdünger.
Immer mehr Menschen in Europa sind nicht länger bereit, die einseitige Bevorzugung der Gentechnik und die Vernachlässigung besserer Alternativen tatenlos hinzunehmen. Prof. Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, der Dachorganisation der deutschen Umweltverbände mit fast 6 Mio. Mitgliedern, fordert in deren Namen eine umfassende Neuorientierung in der Landwirtschaft, aber auch in der Forschung. Gefragt sei eine „Transformation“ der Gesamtgesellschaft. Entsprechende Ansätze erarbeite der DNR aktuell in einem breiten Bündnis, u. a. mit Gewerkschaften und Kirchen.
Der Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung der grünen Bundestagsfraktion, forderte den Ausstieg Deutschlands aus der G8-Initiative "New Alliance against Hunger", die v. a. Entwicklungsländern in Afrika ihre Saatgutsouveränität raube und die Gentechnik auch dort etablieren wolle.
Gastgeber Harald Ebner, Sprecher für Agro-Gentechnik, zog abschließend ein klares Fazit: Wer die Welternährung nachhaltig sichern will, muss sein Agrarmodell auf die Grundlagen der Landwirtschaft ausrichten. Dazu gehören gesunde Böden und ein breites Angebot von Pflanzensorten und Tierrassen. Zu allen diesen Punkten leiste die Gentechnik nicht nur keinerlei positiven Beitrag, sondern schaffe nur neue Probleme, gerade für die Menschen in den vom Hunger gefährdeten Regionen. Deshalb sei es höchste Zeit, sich endgültig von dieser Risikotechnologie zu verabschieden und die dafür ver(sch)wendeten Forschungsgelder in die von Andrioli, Sahai und Herren genannten zukunftsfähigen Bereiche zu investieren. Die jetzige Bundesregierung sei dazu offenbar immer noch nicht bereit, schließlich seien immer noch 2.400 Mio. Euro für eine nebulöse „Bioökonomie-Strategie“ vorgesehen, während z. B. die Ökolandbau-Forschung mit 8 Mio. Euro abgespeist werde.
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