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13.06.13 –
Bundestagsrede zu Protokoll zum grünen Antrag „Vorsorgeprinzip anwenden – Zulassung des Pestizidwirkstoffs Glyphosat aussetzen und Neubewertung vornehmen“ (Drs-Nr.17/7982)
Heute hat der BUND besorgniserregende Analyseergebnisse zu Glyphosat-rückständen im menschlichen Urin vorgelegt. Danach ist zumindest davon auszugehen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher europaweit mit Glyphosat belastet sind, auch die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland.
Damit werden ähnliche Hinweise aus Forschungen der Universität Leipzig bestätigt. Glyphosat ist über unsere Nahrungskette zum Alltagsgift auch für Großstadtmenschen geworden, die überhaupt nichts mit Landwirtschaft zu tun haben.
Auch wenn die Ergebnisse der BUND-Studie nur auf kleinen Fallzahlen beruhen, ist das ein Alarmsignal, das ernst genommen werden muss! Es ist beschämend für die Bundesregierung, dass ein Spenden-finanzierter Umweltverband so ein Projekt starten muss, obwohl Ministerin Aigner seit Jahren über alle notwendigen Informationen und Ressourcen verfügt, um die Glyphosat-Belastung von Mensch und Umwelt umfassend zu erheben.
Das ZDF-Magazin Zoom berichtete am 08. Mai 2013 eindrücklich über missgebildete und schwer behinderte Kinder in den Familien der Tabak- und Sojabauern in Argentinien. Im dringenden Verdacht stehen Glyphosat und andere Pestizide, die von diesen Bauern in großen Mengen verwendet werden. Das bestätigt frühere Berichte, wonach die Zahl solcher Fälle in der argentinischen Soja-Region Gran Chaco in nur 10 Jahren um das Drei- bis Vierfache gestiegen ist.
Es ist aufschlussreich, wie Vertreter von Schwarz-Gelb mit dem Thema umgehen. FDP-Kollegin Dr. Happach-Kasan bezeichnet in einem Beitrag auf „abgeordnetenwatch.de“ vom 07. Juni 2013 das ZDF wegen dieses Programmbeitrags als „verleumderisch arbeitenden“ Sender und wirft den dort zu Wort kommenden Kritikern von Glyphosat vor, aus Profitinteresse „Ängste und Misstrauen zu schüren“.
Wie die BUND-Ergebnisse zeigen, ist Glyphosat längst nicht mehr nur ein Problem im fernen Südamerika, wo heute 14 mal mehr dieses Pflanzengiftes eingesetzt wird als vor der Einführung von gentechnisch veränderten, herbizidtoleranten Pflanzen. Selbst in Deutschland haben sich die Einsatzmengen von Glyphosat auch ohne den Anbau von Gentech-Pflanzen seit 1993 verfünffacht! Glyphosat wird immer öfter im Rahmen der pfluglosen Bodenbearbeitung, sowie zur Sikkation bei Getreide und Hülsenfrüchten eingesetzt. Letzteres führt zu besonders hohen Rückstanden, weil in den wenigen Tagen bis zur Ernte kaum Zeit für den Abbau des Giftes bleibt. So verwundert es nicht, dass bei einer Untersuchung durch Öko-Test fast drei Viertel aller Proben von Getreideprodukten positiv getestet wurden, denn selbst beim Backen bleibt Glyphosat erhalten.
Glyphosat ist alles andere als harmlos für Mensch, Tier und Umwelt, wie auch das Gutachten 2012 des Sachverständigenrates für Umweltfragen deutlich macht. Und die Liste der wissenschaftlichen Belege und Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt wird täglich länger: Beispiele sind die hohe Toxizität für Amphibien, eine Verringerung der Bodenfruchtbarkeit, die Zerstörung des Gleichgewichts der Darmflora bei Menschen und Säugetieren, der Rückgang der Artenvielfalt und die wachsende Belastung von Böden und Gewässern. Wir haben deshalb erneut eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu neuen Erkenntnissen bezüglich der Risiken von Glyphosat gestellt.
Deutschland ist als Berichterstatter in der EU für die Risikobewertung von Glyphosat zuständig. Doch wer von der Bundesregierung deshalb eine besondere Aufmerksamkeit und Sensibilität für die skizzierten Probleme und gar konkrete Maßnahmen erwartet, wird bitter enttäuscht. Nach wie vor leugnet Schwarz-Gelb die Gefahren, redet sie klein und wartet ab. Wie schon bei den bienengiftigen Neonicotinoiden verhält sich die Bundesregierung nach dem Motto, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf!“
Weder bei Futtermitteln noch bei tierischen Lebensmitteln kann die Bundesregierung umfassende Daten zu Glyphosatrückständen vorweisen. Dennoch sieht Noch-Verbraucherschutzministerin Aigner offenbar keinen Anlass, diese Datenlücken zu schließen. Genauso wenig bemüht sich die Bundesregierung, den Einsatz des in Baden-Württemberg entwickelten neuen Multi-Nachweisverfahrens bundesweit zu fördern, mit dem schneller und günstiger auf Glyphosat getestet werden könnte.
Es ist ein politisches Armutszeugnis, wenn die Bundesregierung auf die 2015 fällige Neubewertung von Glyphosat verweist. Denn Ministerin Aigner ist bekannt, dass im ursprünglichen Zulassungsverfahren von Glyphosat schon damals in den Daten klare Hinweise auf massive Schäden wie Skelett-Fehlbildungen enthalten waren, die von den Behörden als „Entwicklungsvariationen“ verharmlost wurden.
Die Regierung Merkel ergreift weder Initiativen für häufigere Rückstandskontrollen bei Futtermittelimporten, noch plant sie Maßnahmen gegen die Steigerung beim Glyphosateinsatz in Deutschland. Im Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz ist die Reduzierung der Anwendungsmengen bei Glyphosat kein Thema. Glyphosatanwendungen zur Sikkation bleiben erlaubt, obwohl diese nichts mit Pflanzenschutz zu tun haben und dadurch die Wahrscheinlichkeit für hohe Rückstandsbelastungen stark wächst. Und nach wie vor sind Herbizide mit Glyphosat in Baumärkten für jeden Privatgärtner frei käuflich, ein Sachkundenachweis wird nicht verlangt.
Erst am Montag hat die Bundesregierung durch ihre Enthaltung in Brüssel dazu beigetragen, dass der Weg frei gemacht wird für den Import der Genmaissorte „SmartStax“. Dieser Genmais ist nicht nur gegen Glyphosat, sondern auch gegen das unbestritten embryonenschädigende Glufosinat resistent, dessen Zulassung 2017 in der EU auslaufen wird. Ein Gift mehr oder weniger im Urin ist Schwarz-Gelb offenbar egal. Laut Kollegin Dr. Happach-Kasan von der FDP ist das Auffinden von Glyphosat im Urin ja gar kein Problem, denn die toxische Gesundheitsschädlichkeit von Glyphosat liege „in der Größenordnung von Alkohol“.
Auch zur drohenden Zulassung der Monsanto RoundupReady-Sojabohne für den Anbau in der EU hört man keinen Widerspruch der Bundesregierung. Dabei hat eine Studie im Auftrag von Greenpeace bereits 2012 ergeben, dass sich mit dem großflächigen Anbau solcher Gentech-Pflanzen die ausgebrachte Herbizidmenge in der EU verdoppeln würde!
Jetzt haben die Koalitionsvertreter, aber auch die SPD erneut Gelegenheit, unserem Antrag auf Aussetzung der Glyphosatzulassung zuzustimmen.
Wir Grüne appellieren an die Koalitionsvertreter: Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie bei den bienengiftigen Neonicotinoiden, deren Risiken zu lange verdrängt wurden und für die nun ein zweijähriges Teilverbot in der EU verhängt wurde. Nehmen Sie endlich das Vorsorgeprinzip ernst und fangen Sie an, zum Schutz von Mensch und Umwelt zu handeln!
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