Persönliche Erklärung zu ESM und Fiskalpakt

Die EU und der Euro sind ein großes Projekt, dem wir Grüne uns seit langem verschrieben haben. Unsere Nachbarn haben massive gesamtwirtschaftliche Probleme und werden ihre Staatsverschuldung durch einen bloßen Konsolidierungskurs nicht in den Griff bekommen. Hierzu braucht es ein gemeinsames Agieren der EU-Staaten, um die Finanzmärkte zu beruhigen und die Refinanzierungskosten zu senken. Der Rettungsschirm ESM in Verbindung mit dem Fiskalpakt sind wichtige Zeichen für ein solches entschlossenes Handeln.

24.06.12 –

Zur Abstimmung über die Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und über den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt)

In einer schwierigen Krisensituation hat der Deutsche Bundestag heute mit der Entscheidung für den ESM und den Fiskalpakt die Weichen in Richtung einer Stabilisierung der Europäischen Union, des Euro und der Europäischen Finanzmärkte gestellt. Die gleichzeitig getroffenen Vereinbarungen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Zusagen für mehr nachhaltige Investitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz sowie die stärkere parlamentarische Beteiligung bei Hilfsanträgen an den ESM sind wichtige und notwendige Schritte zur Stabilisierung der EU und Stärkung der Demokratie. Wir stimmen damit heute über ein Maßnahmenpaket zur wirtschaftlichen Belebung ab, das eine starke Grüne Handschrift trägt.

Die dogmatische Sparpolitik der letzten zwei Jahre hat die Krisenstaaten nicht aus der Krise herausgeführt. Eine tiefe Rezession, hohe Arbeitslosigkeit und am Ende mehr statt weniger Schulden trotz aller Sparmaßnahmen waren die Folge. Die Schuldenstände in Griechenland, Spanien und Portugal sind nicht gefallen, sondern gestiegen und die soziale Schieflage hat sich weiter verschärft. Es zeigt sich: Wer nur spart, konsolidiert nicht.

Die Vereinbarungen müssen vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Situation Europas sowie der globalen Lage bewertet werden. Italien und Spanien haben unverhältnismäßig hohe Refinanzierungskosten an den Finanzmärkten. Japan und die USA, deren volkswirtschaftliche Kennzahlen keineswegs besser sind als die der Eurozone, zahlen bei einer gleichermaßen hohen Staatsverschuldung deutlich niedrigere Schuldzinsen. Der Grund dafür ist einfach: Die EU und die Eurozone sind anders als die Nationalstaaten Japan oder USA Zusammenschlüsse von Staaten. Europa muss beweisen, dass verschiedene Staaten gemeinsam zu entschlossenem Handeln fähig sind. Der Rettungsschirm ESM in Verbindung mit dem Fiskalpakt sind wichtige Zeichen für ein solches entschlossenes Handeln. 

Wichtige Bestandteile zur Krisenlösung sind der von der EU beschlossene sogenannte Sixpack und die im Fiskalpakt verbindlich festgelegten Regeln zur Erzielung eines ausgeglichenen Haushaltes. Sie sind eine notwendige Ergänzung zum ESM. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zur Haushaltskonsolidierung und der Verankerung nationaler Schuldenbremsen. Die Abkehr von der Toleranz gegenüber strukturellen Haushaltsdefiziten ist für uns wichtig, denn nur ausreichend finanzierte Haushalte sind nachhaltig. Eine Schuldenkrise kann man nicht mit immer neuen Schulden bekämpfen. 

In Deutschland wurde darüberhinaus sichergestellt, dass Länder und Kommunen den Fiskalpakt mittragen können. Auch dies ist richtig und notwendig, weil Länder und Kommunen im Vergleich zum Bund deutlich begrenztere Möglichkeiten zur Refinanzierung haben. 

Zur Solidität gehört auch die Solidarität. Die Verpflichtung zu mehr Haushaltsdisziplin in Verbindung mit der Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer, Investitionsimpulsen für mehr wirtschaftliche Dynamik und dem ESM stärken die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der EU und sind so in unserem ureigenen Interesse. Gleichzeitig verhindern sie ein Auseinanderbrechen der Eurozone und damit einen großen Rückschritt in der Europäischen Integration mit unabsehbaren Folgen nicht nur für die deutsche Volkswirtschaft sondern für Europa insgesamt. Die Ergebnisse des Eurogipfels vom 28. Juni 2012 gehen in die richtige Richtung, um den Zinsdruck auf die Krisenländer zu senken und den Teufelskreis aus Banken- und Staatsschuldenkrise zu durchbrechen. Wichtige Schritte zur Bereitstellung von notwendigen Investitionsmitteln wurden vereinbart.

Zusätzlich fordern wir weitere Schritte zur Lösung der Euro-Krise. Ein konkreter und realistisch umsetzbarer Abbaupfad für die hohe Verschuldung ist zwingend für eine erfolgreiche Bewältigung der Krise. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch, wie der des Sachverständigenrates für einen Altschuldentilgungsfonds in der Eurozone. Dabei werden wir uns auf lange Zeiträume des Schuldenabbaus einrichten müssen. Es ist weltfremd, wenn die Kanzlerin sich einer inhaltlichen Debatte um konkret zu ergreifende Maßnahmen verweigert.  Sie wird in diesem Punkt umdenken müssen. Mit ihrer Weigerung einer realistischen Altschuldenregelung gefährdet sie die positive Wirkung von ESM und Fiskalpakt.

Zusätzlich müssen Investitionen in eine ökologische und soziale Gesellschaft noch weiter ausgebaut werden. Diese Investitionen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit Europas und gehören zu unserer Strategie der Krisenbewältigung. Nicht zuletzt müssen die demokratischen Strukturen Europas deutlich weiterentwickelt werden. Das Europäische Parlament muss in seiner Entscheidungsbefugnis gestärkt und eine geeignete Exekutive, also eine europäische Regierung, etabliert werden. Dies erfordert die Übertragung staatlicher Kompetenzen auf Europa. Nur mit diesem Dreiklang aus realistischem Schuldenabbaupfad, Stärkung von Investitionen und demokratischer Entwicklung Europas wird die Krise überwunden werden können.

Diese Schritte können wir erst nach Lösung der aktuellen Probleme gehen. Der Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik ist Grundvoraussetzung für diese Lösung. Deswegen stimmen wir heute für den Fiskalpakt und den ESM zur Stabilisierung Europas. Deutschland hat sich vor vielen Jahren für ein zusammen wachsendes Europa entschieden. Nun gilt es, dafür einzustehen.

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