BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Harald Ebner, MdB

Persönliche Erklärung zum Bundesteilhabegesetz

Zwei Tage vor dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am Samstag, 3. Dezember 2016, wurde jetzt das Bundesteilhabegesetzes (BZHG) im Deutschen Bundestag gegen den heftigen Protest der Behindertenverbände verabschiedet. Sie haben sich vor dem Reichstag ans Ufer der Spree gekettet, wochenlang vor dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales protestiert, für die erfolgreichste ihrer zahlreichen Petitionen mehr als 330.000 Unterzeichnende gefunden und zu Tausenden im ganzen Land protestiert. Denn das Gesetz stärkt die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nur in wenigen Bereichen. Viele stehen dadurch sogar schlechter da stehen als bisher.

01.12.16 –

Persönliche Erklärung von Harald Ebner nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über den Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“ (Bundesteilhabegesetz – BTHG, Bt-Drs 18/9522):

Seit bekannt wurde, welche Neuregelungen die große Koalition mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) treffen möchte, protestierten Menschen mit und ohne Behinderungen: Sie haben sich vor dem Reichstag ans Ufer der Spree gekettet, wochenlang vor dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales protestiert, für die erfolgreichste ihrer zahlreichen Petitionen mehr als 330.000 Unterzeichnende gefunden und zu Tausenden im ganzen Land protestiert. Sie haben damit ihren Protest gegen ein Gesetz zum Ausdruck gebracht, das die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nur in wenigen Bereichen stärkt und mit dem viele behinderte Menschen nicht wie versprochen besser, sondern teils sogar schlechter da stehen als bisher.

Dabei wäre es höchste Zeit für einen weiteren Schritt in diese Richtung. Schon im letzten Jahr hatte der zuständige Fachausschuss der Vereinten Nationen ein harsches Urteil zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Deutschland gefällt: Behinderte Menschen können in Deutschland ihre Menschenrechte nicht im vollen Umfang wahrnehmen. Die Expertinnen und Experten der Vereinten Nationen sahen erheblichen Handlungsbedarf und äußerten für einige Bereiche sogar große Sorge. Kritisch sahen sie unter anderem die hohe Zahl der behinderten Menschen, die in Wohnheimen lebt und den Mangel an alternativen Wohnmöglichkeiten. Auch die Tatsache, dass behinderte Menschen Teilhabeleistungen selbst mit finanzieren müssen, hob der Fachausschuss negativ hervor.

Auch mit dem Teilhabegesetz bleibt es möglich, dass die Leistungsträger behinderte Menschen zum Wohnen in einem Wohnheim zwingen, indem sie andere Unterstützungsleistungen verweigern. Es ist zwar anzuerkennen, dass die Freibeträge für den Einsatz von Einkommen und Vermögen angehoben und Partnerinnen und Partner frei gestellt werden. Der Grundsatz, dass behinderte Menschen selbst für den Ausgleich ihrer gesellschaftlichen Ausgrenzung zahlen müssen, bleibt aber bestehen.
Mit der neuen unabhängigen Beratung oder der bundesweiten Einführung des Budgets für Arbeit sind an einigen Stellen positive Regelungen zu finden. Im Lichte der Herausforderung, die mit der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention verbunden ist, wirkt das aber kleinlich.

Das Bundesteilhabegesetz ist das wichtigste behindertenpolitische Vorhaben seit vor 15 Jahren mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) von der damaligen rot-grünen Koalition erste Schritte unternommen wurden, behindertenpolitisch die Rechte behinderter Menschen und ihren Anspruch auf Teilhabe in den Vordergrund zu stellen. Das Teilhabegesetz wird dem selbstgesteckten Anspruch der Koalition, einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen zu leisten, nicht gerecht. Trotz allem erkennen wir an, dass die Fraktionen von SPD und Union in letzter Minute einige der Forderungen behinderter Menschen und ihrer Verbände aufgenommen haben.

Wir sind dankbar für das Engagement und den Elan, den behinderte Menschen und ihre Unterstützer im Abwehrkampf gegen einen katastrophalen Entwurf aufgebracht haben. Das hat zu einigen Verbesserungen am Entwurf geführt. Trotzdem können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir sehen ihn im Gegenteil als Auftrag, nach der Bundestagswahl mit neuem Schwung die Aufgabe anzugehen, vor die uns die Behindertenrechtskonvention stellt.

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