BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Harald Ebner, MdB

Schwarz-gelber Haushalt setzt auf falsches Agrarmodell

Bundestagsrede zum Haushaltsentwurf 2013, Einzelplan 10, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Mit welcher Kaltschnäuzigkeit die Kollegen Holzenkamp und Co. bei der ersten Lesung des Haushalts ein Landwirtschaftsmodell mit Billigfleischproduktion und allen Folgen schöngeredet haben ist erschreckend - nach dem Motto: Hauptsache billig! Aber ohne den Import von 3 Millionen Hektar Gensoja aus Südamerika, wo Mensch und Umwelt unter massivem Pestizideinsatz leiden, funktioniert das schwarz-gelbe Modell doch überhaupt nicht.

21.11.12 –

Bundestagsrede zum Haushaltsentwurf 2013, Einzelplan 10, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Damit der Süden den Osten ablösen kann, hat jetzt Harald Ebner das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Harald, Deutschland ist ein schönes Land!)

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Soll ich das wiederholen?

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schirmbeck, ich empfehle, Bücher vor dem Lesen aus der Verpackung zu nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Woher soll er das wissen, Mensch?)

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Nun aber zu etwas anderem: Ich war entsetzt, mit welcher Kaltschnäuzigkeit die Kollegen Holzenkamp und Co. bei der ersten Lesung des Haushalts ein Land­wirtschaftsmodell mit Billigfleischproduktion und allen Folgen schöngeredet haben, nach dem Motto: Hauptsa­che billig! Eine Landwirtschaft, die Billiglebensmittel produziert, ist erfolgreich und damit auch gut. – Aber ohne den Import von 3 Millionen Hektar Gensoja aus Südamerika, wo Mensch und Umwelt unter massivem Pestizideinsatz leiden, funktioniert Ihr Modell doch überhaupt nicht. Gleichzeitig klagen Sie über mangelnde Wertschätzung für Lebensmittel. Sie müssen sich hier schon entscheiden: Billigfleisch oder Wertschätzung? Beides zusammen geht nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie setzen im Haushalt die falschen Schwerpunkte, weil Sie in ein falsches Agrarmodell investieren, das bäuerliche Betriebe verdrängt und nur industrielle Groß­betriebe fördert. Warum verhandelt denn die Bundesre­gierung bei der GAP-Reform in Brüssel nicht auf Basis der Beschlüsse der Agrarministerkonferenz, sondern vertritt dort die Positionen vom Deutschen Bauernver­band und vom Industrieverband Agrar?

In Ihrem Agrarmodell hat auch der Tierschutz keinen Platz – wir haben das vorhin schon gehört –, nur in den Reden – ich zitiere –:

Nutztierhaltung in der Landwirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sich die Tiere wohlfühlen und
wenn es genügend Akzeptanz in der Gesellschaft gibt.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!)

Das war Ministerin Aigner in der letzten Haushalts­rede. – Wie können Sie dann ein derart mickriges Tier­schutzgesetz vorlegen und die wenigen Verbesserungen wie das Verbot von Schenkelbrand oder die betäubungs­lose Ferkelkastration von den eigenen Leuten wieder einkassieren lassen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Jetzt verstehe ich auch Ihren Satz, Frau Ministerin: „Außerdem gehen Union und FDP das Tierschutzgesetz an.“ – „Angegangen“ sind Sie das Gesetz wirklich, und zwar so lange, bis nichts mehr übrig geblieben ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Jetzt verstehe ich auch Ihren Satz, Frau Ministerin: „Außerdem gehen Union und FDP das Tierschutzgesetz an.“ – „Angegangen“ sind Sie das Gesetz wirklich, und zwar so lange, bis nichts mehr übrig geblieben ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Statt konkret etwas für das Tierwohl zu tun, geben Sie 5 Millionen Euro für Akzeptanzförderung aus. Da muss etwas anderes passieren. Wir fordern 5 Millionen Euro für ein Zentrum für Tierschutz, das dann Standards ent­wickelt. Auch bei der Fütterung mit Gensoja ändern Sie: nichts! Große Ankündigungen von Frau Aigner: Wir wollen eine Eiweißstrategie! Im Haushalt: Nichts! Fehl­anzeige! Wir fordern dafür 5 Millionen Euro.

Im Bayernwahlkampf inszeniert sich Ministerin Aigner gerne als Gentechnikgegnerin. Schon im Bun­destag aber ist damit Schluss und in Brüssel erst recht. Nicht ein einziges Mal hat sich die Bundesregierung in den EU-Gremien gegen Importzulassungen für Gentech-Pflanzen gewehrt. Das ist beschämend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Kein Wunder: Außer den Statements der Ministerin hört man aus der Koalition nur einhellige Begeisterung für diese Risikotechnologie. Die FDP möchte hier mehr Chancen als Risiken sehen. Dabei werden die Risiken zu wenig bewertet. Was tun Sie denn, Frau Ministerin, wenn die EU-Kommission, wie angekündigt, in den nächsten Monaten Anbauzulassungen für Gentechpflanzen erteilt und damit auch das deutsche Anbauverbot für MON 810 fällt? Was tun Sie dann für die Wahlfreiheit und den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, für die gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirte, Imker und Le­bensmittelhersteller? Kein Wort haben wir von Ihnen bis­her dazu gehört. Kein Cent geht in die Bekanntmachung Ihres eigenen „Ohne Gentechnik“-Siegels. Da lassen Sie sich vom kleinen Koalitionspartner offenbar durch die Manege führen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir wollen 2 Millionen Euro für die Bekanntmachung dieses Zeichens bereitstellen und damit endlich die gen­technikfreie Land- und Ernährungswirtschaft unterstüt­zen.

Auch beim chemischen Pflanzenschutz bleibt die Ko­alition ihrem industriellen Agrarmodell treu. In Ihren Augen ist es kein Problem, dass im letzten Jahr 58 Pro­zent aller untersuchten Lebensmittel mit Pestizid­rückständen belastet waren. Das ist ein Skandal. Das muss sich ändern, lieber Kollege Goldmann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Woher haben Sie so verrückte Zahlen? – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist abenteuerlich, was Sie da er­zählen!)

– Der Kollege Gerig hat gesagt: Der Bericht ist gut. – Ihr Nationaler Aktionsplan Pflanzenschutz ist so unverbind­lich, dass die Umweltverbände frustriert ausgestiegen sind.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist Ver­braucherverunsicherung, was Sie da betrei­ben! – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Grimms Märchen!)

Für Projekte zur Reduktion des chemischen Pflanzen­schutzes geben Sie immerhin 2 Millionen Euro aus. Aber das ist nicht genug. Das ist aus unserer Sicht mehr als schwach.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesprogramm Ökolandbau will die Koalition weiterhin für „andere Formen nachhaltiger Landwirt­schaft“ zweckentfremden. So kann man auch den Im­portanteil am Biomarkt steigern.

Kollege Holzenkamp hat bei der ersten Lesung von der hervorragenden Interessenvertretung der Landwirt­schaft durch die Bundesregierung gesprochen. Der tie­fere Sinn der Formulierung „Interessenvertretung“ hat sich mir erst nach der Lektüre der Frankfurter Rund­schau erschlossen, in der es um die Art und Vielzahl Ih­rer bezahlten Nebentätigkeiten in der Agrarindustrie ging.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS­SES 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ich dachte, das sei eine Debatte und keine Lesestunde von Grimms Märchen!)

Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss.

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Gott sei Dank! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist eine üble Rede, die Sie da halten!)

Die Politik, die mit diesem Haushalt zum Ausdruck kommt, ist gerade keine Interessenvertretung für die bäuerlichen Familienbetriebe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist nicht in Ordnung, was Sie hier machen!)

Deren Zahl halbiert sich nämlich dank Ihrer ach so er­folgreichen Politik – da sind wir dann bei den objektiven Zahlen, Kollege Schirmbeck – nach wie vor alle zwan­zig Jahre.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir lehnen deshalb diesen Haushalt ebenso ab wie Ihre abstruse Agrarpolitik; denn dieses Agrarmodell hat keine Zukunft, genauso wenig wie die Bundesregierung.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE])

Kategorie

Agrogentechnik | Bundestagsreden

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