BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Harald Ebner, MdB

Wir müssen uns mit dem Wolf beschäftigen

Die meisten Deutschen freuen sich, dass der Wolf wieder da ist, und finden, dass er in unsere Landschaft gehört.  Aber wir müssen dem sagenhaften Rückkehrer auch unsere Aufmerksamkeit schenken, uns mit ihm beschäftigen und den Umgang mit ihm ganz neu lernen. Dass da Handlungsbedarf besteht, zeigt die lebhafte Berichterstattung, wenngleich die Berichte die tatsächliche Situation nicht immer treffend beschreiben. Und wie so oft bei Unbekanntem ist die Verunsicherung groß. Bundestagsrede Harald Ebner

17.12.15 –

Bundestagsrede von Harald Ebner 17.12.2015

Wolfsschutz Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Kein Mensch in Baden-Württemberg kennt den Wolf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Er ist ein sagenumwobenes Wesen. Der Baron von Münchhausen hat eine wilde Geschichte über eine pferdeverschleißende Schlittenfahrt über ihn im Repertoire; aber der Wahrheitsgehalt der freiherrlichen Schilderungen ist ja bekannt. Trotzdem ist die Rückkehr der Wölfe zu uns ganz klar eine Herausforderung. Die meisten Deutschen freuen sich aber, dass er wieder da ist, und finden, dass er in unsere Landschaft gehört. Das sehen wir genauso. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber wir müssen dem sagenhaften Rückkehrer auch unsere Aufmerksamkeit schenken, uns mit ihm beschäftigen und den Umgang mit ihm ganz neu lernen. Dass da Handlungsbedarf besteht, zeigt die lebhafte Berichterstattung, wenngleich die Berichte die tatsächliche Situation nicht immer treffend beschreiben. Und wie so oft bei Unbekanntem ist die Verunsicherung groß. Wölfe sind – das zeigen die Fakten – eine gewisse Gefahr für Weidetiere, zunächst vor allem für ungeschützte Weidetiere. Zäune oder Hunde können Wölfe aber zuverlässig fernhalten. Hier zeigt sich die große Bedeutung des Vorsorgeprinzips. (Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE] und Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn man rechtzeitig vorsorgt – das hat die Kollegin schon gesagt –, wenn die Wölfe gar nicht erst lernen, wie leicht es ist, ein ungeschütztes Schaf oder eine ungeschützte Ziege zu erbeuten, dann passiert deutlich weniger. Andererseits gibt es bisher keine Hinweise, dass die Nutztierschäden dauerhaft zunehmen, wenn sich mehr Wölfe ansiedeln. Zum Beispiel gab es im Wolfsland Sachsen in diesem Jahr nur fünf Fälle, in denen Gatterwild durch Wölfe zu Schaden kam. Ich frage mich schon, Herr Staatssekretär Bleser, ob das die massenhaften Schadensfälle sind, von denen Sie gestern im Ausschuss sprachen. Es gibt auch keine Zahlen, die auf eine Bedrohung des Wildbestandes hindeuten; denn auch hier gilt – der Wolf ist nun einmal Opportunist –: Wölfe jagen Tiere, die sie am leichtesten erbeuten können, nämlich alte, kranke und schwache. Dabei sind sie vermutlich zielsicherer als die Jäger. Damit werden sie wieder ein funktionaler Teil unserer Ökosysteme, und das ist gut so. Es gibt auch keine Hinweise, dass die Wölfe überhandnehmen. Das ist biologisch logisch, weil sich ein Räuber-Beutetier-Gleichgewicht einpendelt. Konkurrenz macht der Wolf allenfalls der Jägerschaft und ihrem Selbstverständnis als Ökosystemregulierer. Plötzlich tauchen noch Wolfsberater und Wolfsmanager auf. Dass da eine gewisse Verunsicherung entsteht, kann ich verstehen. Es geht in der oft emotional geführten Wolfsdebatte nicht zentral um die überschaubaren Schäden. Wir müssen neu lernen, wie wir mit dem Neubürger umgehen. Es wäre sicherlich bequemer, billiger und sorgenfreier ohne den Wolf, zumindest einzelbetrieblich gesehen. Aber die Probleme sind nicht unlösbar. Der Gesamtnutzen durch die Rückkehr eines der wichtigsten großen Prädatoren im Ökosystem ist die entscheidende Größe. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Der Wolf muss das auch tun. Da kann – Föderalismus hin oder her – auch ein Dokumentations- und Vernetzungszentrum – wie auch immer wir das nennen möchten –, das nun vom BMUB ausgeschrieben wurde, helfen. Gerade dann hilft es aber gar nichts, den notwendigen nächsten Schritt auszulassen und das, was wirklich ansteht, nämlich das Wissen um Herdenschutz und Herdenmanagement, außen vor zu lassen. Ich erwarte, dass die Ministerien hier kooperieren und sich absprechen, anstatt das „Mein Garten, dein Garten“-Spiel zu spielen und Kompetenzen abzudrücken. Hier kann man sich nicht hinausstehlen. Solange Ihnen, Herr Staatssekretär Bleser, zum Wolf nichts Besseres einfällt, als ihn in das Jagdrecht zu verschieben, damit Ihr Haus den Abschuss freigeben kann, ist es gut, dass Sie sich dafür nicht zuständig fühlen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Beim Wolfsmanagement muss es ganz klar bei der Länderkompetenz bleiben. Die Wissensbündelung und die Wissensvernetzung auf Bundesebene – auch beim Herdenschutzmanagement – halten wir für sinnvoll. Das wäre ein Beitrag zum Schutz der Landwirtschaft und der Natur gleichermaßen, ein Schritt hin zu stabilen Ökosystemen. Lernen Sie den Wolf kennen, und Sie werden merken: Niemand braucht Angst zu haben vor dem Wolf. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Auch in Baden-Württemberg nicht!) – Auch in Baden-Württemberg nicht. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Redner Harald Ebner Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik

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