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03.07.13 –
Bundestagsrede zu Protokoll zum Antrag der SPD-Fraktion „Vorrang für Verbraucherinteressen im Gentechnikrecht verankern“ (Drs.-Nr 17/6479)
Die Agrogentechnik ist aktuell aus den Schlagzeilen weitgehend verschwunden; auch weil Gentechkonzerne wie Monsanto vorgeben, den europäischen Markt aufgegeben zu haben. Doch davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen, denn Monsanto hält ausnahmslos alle seine EU-Zulassungsanträge für Gentech-Pflanzen aufrecht! Hinzu kommt die Gefahr, dass für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wichtige Verbraucherschutzregelungen auch im Bereich Gentechnik geopfert werden.
Ministerin Aigner hat auch bei diesem Thema versucht, sich als vermeintliche Verteidigerin der Verbraucherrechte zu inszenieren. Europa, so Ilse Aigner, werde seine „hohen Standards beim Verbraucherschutz für ein Freihandelsabkommen nicht zur Disposition stellen“.
Und was sagt Aigners Chefin zu dieser Frage? Angela Merkel meint zwar in ihrem aktuellen Video-Podcast, man wolle „jetzt nicht einfach Standards minimieren“. Letztlich werde man aber, so die Bundeskanzlerin, „zum Schluss Lösungen finden müssen, die von allen akzeptiert werden“. Damit räumt Merkel ein, dass sie gerade die weit entwickelten EU-Verbraucherschutzstandards zur Disposition stellt. Alle gegenteiligen Beschwörungen sind also nur Beruhigungspillen für die Öffentlichkeit, die mit der Realität solcher Verhandlungen nichts zu tun haben.
Zwischen der Rhetorik von Ilse Aigner und der tatsächlichen Gentechnikpolitik von Schwarz-Gelb klafft schon seit vier Jahren ein tiefer Glaubwürdigkeitsgraben! Union und FDP spielen dabei ein falsches Doppelspiel mit verteilten Rollen. Während Aigner und ihre bayerischen Parteifreunde sich öffentlich als Gentechnikkritiker gebärden, sind viele Bundestagsabgeordnete von CDU, CSU und FDP nach wie vor überzeugte Fans der Agrogentechnik. Wo der bayerische Landwirtschafts-minister Brunner laut für Sojaanbau ohne Gentechnik wirbt, ist im Bundeshaushalt 2013 kein einziger Cent für die Förderung des Eiweißpflanzenanbaus in Deutschland eingestellt. Die Markteinführung von Aigners Siegel „Ohne Gentechnik“ wird nur stiefmütterlich mit einem winzigen Bruchteil der Mittel gefördert, die einst für die Bekanntmachung des Bio-Siegels geflossen sind.
Während die Bundeslandwirtschaftsministerin spät ihre Liebe zur Nulltoleranz gegenüber nicht zugelassenen Gentech-Pflanzen entdeckt hat, fordern einige Koalitionsvertreter, insbesondere aus der FDP, weiterhin unverdrossen die Schleifung dieses Prinzips, sogar beim Saatgut!
Und in Brüssel winken Aigners Vertreter neue Importzulassungen von Gentech-Pflanzen ohne Ausnahme durch! Nicht einmal gegen den besonders risikobehafteten Genmais „SmartStax“, der gegen zwei Herbizide resistent ist und der sechs verschiedene Insektengifte produziert , hat sich Deutschland gewehrt. Ein Nein zur Gentechnik? Fehlanzeige!
Nach wie vor fördert Schwarz-Gelb mit Millionensummen Forschungsprojekte zur Nutzung der Agrogentechnik. Dabei belegen immer mehr Studien, dass Gentech-Pflanzen statt höherer Erträge nur zu mehr Pestizideinsatz und wachsender Abhängigkeit der Landwirtschaft von wenigen Konzernen führen. Handfeste Erfolge hat hingegen die moderne konventionelle Züchtung vorzuweisen. Schwarz-Gelb verschwendet also knappe Forschungsmittel für eine Dinosauriertechnologie! Bei diesem Punkt fehlt dem vorliegenden Antrag leider die nötige Konsequenz, denn es reicht eben nicht, nur „in gleichem Maße auch nichtgentechnische Ansätze“ zu fördern. Grünes Ziel ist die effektive Verwendung von Forschungsmitteln für leistungsfähige Technologien, daher fordern wir die komplette Streichung öffentlicher Forschungsförderung zur Entwicklung von Gentechpflanzen. Das hat aber nichts mit einem Forschungsverbot oder gar mit „Bücherverbrennung“ zu tun, wie es Kollege Lehmer in einer inakzeptablen Entgleisung genannt hat.
Die zahlreichen konkreten Hinweise auf verbreitete Interessenskonflikte bei der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) sind der Regierung Merkel völlig egal! Dabei ist ein unabhängiger und kritischer Blick auf die Risiken der Agro-Gentechnik nötiger denn je: Ganz aktuell hat eine australisch-amerikanische Fütterungsstudie mit Gentech-Mais und Gentech-Soja an Schweinen neue ernstzunehmende Hinweise auf Gesundheitsschäden erbracht.
Die Bundesregierung findet dennoch nichts dabei, dass sie Aufträge zur Gestaltung von den Internetseiten „biotechnikum.eu“ und „biosicherheit.de“ an Agenturen vergeben hat, die enge Kontakte zur Gentech-Lobby pflegen. Kein Wunder, dass auf diesen Portalen, die sich besonders an Schülerinnen und Schüler richten, wesentliche Risiken und negative Folgen der Agrogentechnik entweder gar nicht vorkommen oder kleingeredet werden.
Nicht nur Gentech-Pflanzen selbst bergen Risiken. So weisen viele Studien auf Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat hin, das vor allem beim Anbau von Gentech-Pflanzen zum Einsatz kommt. Doch auch hier haben Aigner, Merkel und Co ihre Ohren auf Durchzug gestellt. Für Vertreter von Schwarz-Gelb ist es normal und kein Problem, dass bei einer Mehrheit unserer Bevölkerung Rückstände des Herbizids Glyphosat im Urin nachweisbar sind, wie eine in der letzten Woche veröffentlichte BUND-Studie ergeben hat.
Angesichts so viel Ignoranz gegenüber Risiken und Klientelpolitik zum Nutzen der Gentechlobby verwundert es nicht, dass diese Bundesregierung viele überfällige Hausaufgaben zum Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft nicht erledigt hat. Der SPD-Antrag enthält dazu eine lange Liste von Forderungen, die wir weitestgehend teilen. Daher stimmen wir dem Antrag trotz kleinerer Schwächen zu.
Schwarz-Gelb hat weder für die bessere rechtliche Absicherung der Gentechnikfreien Regionen noch für die Verankerung des Schutzes der Imkerei vor gentechnischen Verunreinigungen im Gentechnikgesetz irgendetwas geleistet. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung unterstützt die EU-Kommission sogar dabei, das sogenannte „Honig-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes von 2011 über eine Änderung der Honigrichtlinie auszuhebeln. Damit würden die Verbraucherinnen und Verbraucher ihrer Rechte auf Wahlfreiheit und Transparenz beraubt, weil so selbst Honige, die weit überwiegend Pollen von Gentech-Pflanzen enthalten, nicht als Genfood gekennzeichnet werden müssen. Das ist Verbrauchertäuschung pur!
Selbst von den Vorhaben des eigenen Koalitionsvertrages hat Schwarz-Gelb nichts umgesetzt. Die Bundesländer warten immer noch auf die Ermächtigung, selbst größere Abstände zu Gentech-Feldern vorgeben zu dürfen. Auch die großspurig angestrebte „umfassende Verbrauchertransparenz“ durch die Einführung einer Prozesskennzeichnung für Lebensmittel ist ein Papiertiger: Noch immer gibt es keine Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte, die mit Gentech-Futtermitteln erzeugt wurden.
Fazit: Beim Thema Gentechnik hat die Regierung Merkel nichts Positives bewirkt. Da ist es bezeichnend, wenn das Einzige, was im neuen Wahlprogramm der Unionsparteien zum Thema Gentechnik steht, die vage Forderung nach einer Art Prozesskennzeichnung ist. Was schon im letzten Koalitionsvertrag versprochen war und von Schwarz-Gelb noch nicht einmal ansatzweise vorangetrieben wurde, wird jetzt wieder aufgewärmt!
Beim Thema Gentechnik gilt für die Union offensichtlich: Wer nichts Wesentliches verspricht, weckt keine Erwartungen und muss daher auch nichts halten. So gesehen ist das Merkelsche Wahlprogramm an dieser Stelle - allerdings auch nur an dieser - unfreiwillig ehrlich. Diese Ehrlichkeit hätte der Union auch in Sachen Finanzierbarkeit ihrer Wahlgeschenke gut zu Gesicht gestanden.
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