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27.06.13 –
Vor einem Jahr beschloss der Bundestag einstimmig (!), Biopatente auf Pflanzen und Tiere UND DEREN PRODUKTE einzuschränken. Jetzt fällt die Koalition hinter diesen Antrag zurück und klammert in einer Novelle des Patentgesetzes die Produkte aus. Im druckfrischen Wahlprogramm der Union heißt es: "für uns gibt es einen Unterschied zwischen einem Patent auf ein Auto und einen Apfel." (s. u.) Offenbar doch nicht, denn Äpfel könnten auch mit dem jetzt von der Koalition beschlossenen Gesetz munter weiter patentiert werden...
Für eine Debatte über ihren Rückzieher vom interfraktionellen Beschluss waren die Koalitionäre zu feige, deshalb haben sie durchgesetzt, dass der Gesetzentwurf "ohne Debatte" im Ausschuss und "zu Protokoll" im Plenum behandelt wird. In ihren Pressemitteilungen behaupten Unionsabgeordnete trotzdem frech, der Gesetzentwurf sei in den Ausschüssen "beraten" und im Plenum "debattiert" worden...
Auszug CDU-Wahlprogramm:
"Keine Biopatente auf Nutztiere und Nutzpflanzen
Die breite Vielfalt von Nutztieren und Pflanzen ist eine besondere Stärke unserer Landwirtschaft.
Diese wollen wir sichern und auch nicht von der weltweit steigenden Zahl von Patentanmeldungen auf Tiere und Pflanzen gefährden lassen. Für uns gibt es Unterschiede zwischen einem Patent auf ein Auto und einem Apfel. Deshalb sprechen wir uns gegen Patente auf herkömmliche Züchtungsverfahren aus und wenden uns auch gegen die Patentierbarkeit von landwirtschaftlichen Nutztieren und Nutzpflanzen daraus."
Hintergrundtext:
In den letzten Jahren haben Monsanto & Co. immer häufiger Patente auch auf traditionell gezüchtete Pflanzen wie Brokkoli, Tomaten, Melonen oder Sonnenblumen beantragt und - leider - auch erhalten.
Diese Patente betreffen nicht "nur" Saatgut oder Züchtungsverfahren, sondern v. a. auch alle daraus resultierenden Organismen oder Produkte. Konkret: Beim Sonnenblumen-Patent fällt nicht nur das Züchtungsverfahren, sondern auch die daraus hervorgehenden Pflanzen und das aus diesen Sonnenblumen produzierte Sonnenblumenöl unter den Patentschutz, bei einem kürzlich erteilten Patent auf Chili sogar "die Ernte" der Chilischoten. Beim Patent auf das äthiopische Teff-Getreide besteht sogar der Hauptanspruch in einem Patent auf ein aus Teff hergestelltes Mehl, alle weiteren Ansprüche leiten sich daraus ab.
Um diesen Irrsinn zu korrigieren, hat der Bundestag nach langen und zähen Verhandlungen am 9. 2. 2012 einstimmig (!) einen interfraktionellen Antrag beschlossen, der Patente auf "konventionell gezüchtete Nutzpflanzen und -tiere" verhindern soll (BT-Drs. 17/8344). In den Forderungen wird betont, dass nicht nur die Züchtungsverfahren selbst, sondern auch "mit diesen gezüchtete landwirtschaftliche Nutztiere und -pflanzen sowie deren Nachkommen und Produkte" von der Patentierung auszuschließen sind. Außerdem sollen konventionelle Züchtungsverfahren auch dann nicht patentierbar sein, wenn sie durch ein paar technische Details (wie z. B. molekulare Marker) ergänzt wurden.
Beide Aspekte, Produkte und Verfahren, sollen laut Beschluss sowohl im europäischen Recht als auch im deutschen Patentgesetz "klar gestellt" werden.
Praktischerweise steht eine Novellierung des Patentgesetzes sowieso seit August 2012 (!) auf der Tagesordnung des Bundestages (BT-Drs. 17/13608).
Die Koalition hat jedoch - v. a. auf Betreiben der FDP - bis gestern die Beratung dieses Gesetzentwurfes in den Ausschüssen blockiert.
Trotzdem haben wir gemeinsam mit der SPD einen Änderungsantrag vorgelegt, der exakt die o. g. Forderungen des interfraktionellen Antrags übernimmt.
Als der öffentliche Druck zu stark wurde, brachte die Koalition in letzter Minute einen eigenen Änderungsantrag ein, mit dem außer den Züchtungsverfahren nur die "ausschließlich durch solche Verfahren gewonnenen Pflanzen und Tiere" nicht patentierbar wären. Die Koalition argumentiert, mit der im letzten Jahr beschlossenen Formulierung würden die Patentierungsmöglichkeiten der Industrie* zu stark eingeschränkt.
Offenbar war sie von der Schlagkraft dieser Argumentation aber selbst nicht überzeugt, sonst hätte sie sich in Ausschuss und Plenum nicht an der Debatte vorbeigemogelt.
Pflanzen und Tiere sind in Jahrmillionen entstanden und keine "Erfindungen", die irgendjemand als sein "geistiges Eigentum" reklamieren könnte. Vor allem nicht, wenn es um die existenziellen Grundlagen der menschlichen Ernährung wie z. B. Saatgut geht.
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