BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Harald Ebner, MdB

Pestizidpfad führt in Sackgasse

Pestizide schaden der Gesundheit. Sie tragen massiv dazu bei, die Artenvielfalt zu vermindern. Ausgestorbene Arten kommen nicht wieder. Das entzieht dem gesamten Agrarökosystem die Existenzgrundlage. Wir brauchen einen Weg aus dieser Sackgasse. Pestizide müssen runter von den Äckern und sie haben in unserem Essen nichts zu suchen. Bundestagsrede von Harald Ebner

16.01.16 –

Bundestagsrede von Harald Ebner 15.01.2016

Pestizide Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Atrazin, Chlorpyrifos, Glyphosat – das G-Wort wurde heute schon oft genannt – und nicht zuletzt die Neonikotinoide – die Liste wäre verlängerbar – haben gezeigt: Der Pestizidpfad der angeblich modernen Landwirtschaft führt leider in eine Sackgasse. Wenn wir Pech haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann gibt es am Ende dieser Sackgasse nicht einmal eine Wendeplatte, damit wir da wieder herauskommen. Pestizide schaden der Gesundheit von denen, die sie anwenden, und denen, die an den Feldern wohnen. Am Ende – das haben wir jetzt auch in unserer neuen Studie lesen müssen – landen sie auch auf unseren Tellern. Sie verursachen enorme Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden. Für die Schweiz gibt es eine Schätzung: Da würde die Umrüstung von Kläranlagen, um solche Rückstände herauszufiltern, 1,2 Millionen Franken kosten. – pro Anlage Pestizide tragen leider auch massiv dazu bei, die biologische Vielfalt zu vermindern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ausgestorbene Arten kommen nicht wieder, und das entzieht dem gesamten Agrarökosystem die Existenzgrundlage. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir einen Weg aus dieser Sackgasse. Pestizide müssen runter vom Acker, und sie haben in unserem Essen nichts zu suchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben am Mittwoch im Fachgespräch im Umweltausschuss gehört: Als Ursache für ein aktuelles, wirklich erschreckendes Insektensterben in Deutschland wurden ganz klar an erster Stelle der Einsatz von Pestiziden und auch Strukturverluste in agrarisch optimierten Landschaften genannt. Das Fazit des Fachgesprächs war: Dieser massive Insektentod kann nur gestoppt werden, wenn auf eine Landwirtschaft mit deutlich weniger – die Experten sagen: besser ohne – Pestiziden umgestellt wird. Das sagen nun einmal die Experten. Der Kollege Auernhammer erinnert sich ganz bestimmt an die Empfehlung auf seine Frage, er möge dann doch auf Ökolandbau umstellen. Ich weiß nicht, ob er den Antrag schon gestellt hat. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Er ist dabei!) Von der Reduzierung der Pestizidmengen – darin sollten wir uns einig sein – können wir doch alle nur profitieren, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) außer natürlich die Industrie, die Pestizide herstellt und damit seit Jahren Rekordumsätze einfährt. Leider verweigert der Bundesminister, der auch heute lieber auf der IGW als im Parlament ist, in Sachen Pestizidreduktion wie bei vielen anderen Themen eindeutig die Arbeit. Das zeigt, lieber Kollege Saathoff, der Nationale Aktionsplan, der nach wie vor nicht mehr als das geduldige Papier ist, das sich gefällig liest, aber zu dessen Umsetzung nichts passiert. Eine ganze Reihe von Verbänden – das wurde schon gesagt – mit Sachverstand sind schon vor Jahren aus dem NAP-Forum ausgestiegen, weil sie sagen: Bei einem Aktionsverhinderungsplan machen wir nicht mit. Wir lassen uns nicht zu Tode partizipieren, und am Ende kommt nichts dabei heraus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dies zeigt: Die Bundesregierung ist an dieser Stelle nicht Sachwalter der Interessen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Da muss ich auch an die Adresse des Kollegen Färber und der Kollegin Pahlmann sagen: Uns geht es darum, die Forschungen zu Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz zu einem Schwerpunkt der öffentlichen Agrarforschung zu machen. Wir haben das in unseren Haushaltsanträgen mehrfach gefordert. Da ist noch lange nicht genug passiert. Das kommt dann den konventionellen Landwirten und den Ökolandwirten zugute. Auch der Deutsche Bauernverband hat dies jüngst gefordert: 60 Millionen Euro für den Ökolandbau! – Das ist richtig. Das findet unsere volle Unterstützung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Färber [CDU/CSU]: Der größte Bauernverband fordert das!) – Ja, natürlich. – Aber schade, dass es just nach den Haushaltsberatungen im Dezember passiert ist. Ich baue darauf, dass der Bauernverband diese Forderungen auch aufrechterhält, wenn es an die nächsten Haushaltsberatungen geht. Ich baue darauf, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, dieses Mal auch, wie sonst immer, den Forderungen des Bauernverbandes entsprechen und hier mit dabei sind. Dann kommen wir einen wesentlichen Schritt weiter. Das wäre schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das würde uns nämlich auch als Verbraucherinnen und Verbraucher nutzen. Die aktuelle Auswertung unserer Fraktion zu Pestiziden auf Lebensmitteln zeigt: Ökolebensmittel schneiden bei allen Parametern der Pestizidbelastung deutlich besser ab. Wenn Pestizidrückstände auf Ökolebensmitteln auftauchen, dann kommen sie leider Gottes zu 90 Prozent vom konventionellen Nachbarn. Das kann ja keiner wirklich gutheißen. Es wurde schon angesprochen, Pestizidrückstände, Kollege Saathoff, seien ja immer unter dem Grenzwert. Aber die Grenzwerte sind die halbe Wahrheit. Wir haben keine Grenzwerte für Cocktails. Es ist auch der Dreh- und Angelpunkt bei den Zulassungsverfahren, dass wir keine Prüfungen für die Mischung von Pestiziden haben, dass wir über deren Risiken überhaupt nichts wissen. Ein weiteres Problem – ich komme demnächst zum Schluss – bei Zulassungsverfahren ist: Wir haben keine Kenntnis über das, was die Industrie im Vorfeld, bevor sie Studien abliefert, für ihre Good-Laboratory-Practice-Prüfungen durchführt. Sie können lange untersuchen, bevor sie ein Untersuchungsdesign festlegen, das sie am Ende abliefern. Wir haben gesehen, dass ein Pestizidzyklus immer läuft: Pestizide prüfen, Ungefährlichkeit feststellen, zulassen. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege Ebner, nicht nur die Ankündigung, sondern der tatsächliche Schluss ist jetzt erreicht. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. – Am Ende stellen wir fest, es wird gefährlich, und erst dann werden die Pestizide vom Markt genommen. Wir kennen das von DDT und anderen Substanzen. Damit muss endlich Schluss sein. Wir müssen im Rahmen eines Humanbiomonitorings bessere Daten zur Exposition gewinnen. Wir wollen, dass die Landwirtschaft mit weniger Pestiziden, besser noch: ohne Pestizide auskommt. Machen Sie endlich etwas dafür. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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