Neuordnung des Pflanzenschutzrechts

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kolleginnen und Kollegen von der Koalition haben hier und auch gestern im Ausschuss viel von Harmonisierung, beschleunigter Zulassung und Parallelhandel gesprochen. Das hört sich für mich fast so an, als ob der vorliegende Gesetzentwurf vor allem die Probleme der Industrie lösen soll.

10.11.11 –

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kolleginnen und Kollegen von der Koalition haben hier und auch gestern im Ausschuss viel von Harmonisierung, beschleunigter Zulassung und Parallelhandel gesprochen. Das hört sich für mich fast so an, als ob der vorliegende Gesetzentwurf vor allem die Probleme der Industrie lösen soll. So kann man natürlich an ein Gesetz herangehen – das erwarte ich schon fast von der Koalition –, man kann aber auch die Probleme der Menschen und der Umwelt lösen wollen. Da muss der Blick über den Ackerrand hinausgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir finden heute im Blut von Eisbären in der Arktis Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und deren Metabolite. Die WHO hat 1990 aufgehört, die Fälle der jährlichen akuten Pestizidvergiftungen von Menschen zu zählen. Damals war man bei 3,5 bis 5 Millionen Fällen pro Jahr angelangt. Das heißt, die Stoffe gelangen in die hintersten Winkel der Welt und entfalten auch dort ihre Wirkung, wo wir es längst nicht mehr brauchen. Das ist die Problemlage.

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Weil es eben nicht um harmlose Substanzen geht – wir reden hier über Pestizideinsatz –, muss ein modernes Pflanzenschutzgesetz zum Ziel haben, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und diejenigen, die dennoch angewandt werden, vor ihrer Zulassung zuverlässig und umfassend auf ihre Risiken für Mensch und Umwelt zu prüfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass dies gegenwärtig nicht in ausreichendem Maß der Fall ist, zeigen die zahlreichen Fälle der erst viel zu spät erkannten Gefährlichkeit von Pestiziden: in der Vergangenheit bei Atrazin oder aktuell bei Glyphosat und Tallowaminen. Weil in Ihrem Gesetzentwurf das Ziel der effektiven Reduktion gar nicht zu finden ist und auch das Ziel einer wirklichen Risikovorsorge nicht zufriedenstellend angegangen wird, kann die Novelle nicht mit ein paar Änderungen geheilt werden.

Welche Kernpunkte muss ein modernes Pflanzenschutzgesetz abdecken? Diese Punkte haben wir in unserem Entschließungsantrag aufgeführt: Das beginnt bei einer gründlichen Zulassungsprüfung, die im Interesse von Verbrauchern, Landwirtschaft und Umwelt auf den Ergebnissen einer unabhängigen Risikoforschung basieren muss. Das Gegenteil ist heute der Fall. Es darf nicht weiter so sein, dass sämtliche Daten für die Zulassung von Pestiziden von den Herstellern dieser Mittel selber stammen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade hier gilt: „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ und nicht umgekehrt. In Ihrem Gesetzentwurf fehlt sogar eine verbindliche Definition der guten fachlichen Praxis; das hat Herr Herzog schon dargestellt. Es fehlen Angaben über die Abstände zu Gewässern. Wir wollen einen Mindestabstand von 5 Metern und spezifische Risikominderungsmaßnahmen. Die Haus- und Kleingärten wurden vom Kollegen Süßmair schon angesprochen; hier sind wir ganz auf einer Linie.

Die Ökobauern wollen ihre Pflanzen stärken, statt Schädlinge und Nützlinge zu vergiften. Deshalb brauchen wir längere Übergangsfristen bei der Zulassung von Pflanzenstärkungsmitteln. Ja, Herr Kollege Gerig, da haben Sie völlig recht, aber Sie haben sich im Gesetzentwurf nicht zu einer richtigen Lösung durchringen können. Aber was will man von dieser Bundesregierung schon erwarten, wenn Staatssekretär Bleser schon beim Wort „Ökolandbau“ eine „Stimmhemmung“ hat, wie gestern nach eigenem Bekunden im Ausschuss geschehen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie peinlich! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: So ist er!)

Ich komme langsam zum Schluss. Wir waren schon einmal wesentlich weiter auf dem Weg zu einer umweltverträglichen und nachhaltigen Landwirtschaft. Nach 2005 kam leider ein Rollback. Aus dem Reduktionsprogramm Pflanzenschutz wurde ein unverbindlicher Aktionsplan. Der vorliegende Gesetzentwurf verfestigt diesen Rollback zum Dauerzustand. Damit verabschiedet sich die Bundesregierung leider von dem Ziel der EU, die Abhängigkeit vom Pestizideinsatz zu verringern. Frankreich geht einen anderen Weg. Dort sagt man: Wir wollen den Pestizideinsatz um 50 Prozent verringern. – Das könnte man sich zum Vorbild nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Gustav Herzog [SPD]: Und Frankreich hat eine Pestizidsteuer!)

Sie legen zum wiederholten Male einen Gesetzentwurf vor, der zwar vorgibt, dass im Sinne von Verbrauchern und Umwelt gehandelt wird, in Wahrheit folgt man aber den Interessen einer Lobbygruppe. Die Frage ist doch, welche Landwirtschaft wir wollen: Eine billigere oder eine bessere?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Gustav Herzog [SPD]: Ich bin für die bessere! – Norbert Schindler [CDU/CSU]: Wir sind für die gute fachliche Praxis!)

Wir wollen eine nachhaltige, zukunftsorientierte Landwirtschaft, die Umwelt und biologische Vielfalt, also unsere Lebensgrundlagen, auf Dauer schützt und erhält, statt sie zu vergiften. Dafür müssen wir immer weniger Pestizide einsetzen, und das immer sicherer. Diese Zielsetzung fehlt in Ihrem Gesetzentwurf leider vollkommen.

Danke schön.

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