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Versprochen, gebrochen - beim Insektenschutz! Jetzt hat die Ministerin auch noch eine Notfallzulassung für EU-weit verbotene Bienen-Gifte erteilt
Es war eine viel beachtete Pressekonferenz im April 2018: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner versprach, den im Koalitionsvertrag verankerten Glyphosat-Ausstieg "so schnell wie möglich" umzusetzen. Den Landwirten sollte mit einer Ausstiegsstrategie geholfen werden. Das ist nun 2,5 Jahre her. Aktuell verteidigt die Ministerin gerade ihre Notfallzulassung für zwei EU-weit verbotene Bienen-Gifte, Neonicotinoide, für Zuckerrüben.
Der Verband der Berufs- und Erwerbsimker hat nun einen Offenen Brief an die wortbrüchige Ministerin, die einst versprach, alles vom Markt zu nehmen, was Bienen schade, geschrieben. Darin heißt es u. a.: "Die Gründe für die beantragten Notfallzulassung sind rein wirtschaftlicher Natur. Dies ist weder eine Rechtfertigung noch eine Lösung. Wenn die Ausnahmeregelung ausläuft werden die Bauern noch immer vor dem gleichen Problem stehen." Und weiter heißt es: Es müsse nach Alternativen gesucht werden. Zudem dürfe auch ein zu geringer Preis für die Zuckerrübenbauern kein Grund für eine Aufhebung des Verbotes der Bienen-Gifte sein. "Das wäre quasi ein Freibrief für andere Branchen, die durch ein fehlendes Pestizid ebenfalls Umsatzprobleme bekommen."
Und was ist aus den Ankündigungen von 2018 geworden? Nichts! Oder besser: Es ist ein "so spät wie möglich" geworden. Wenn überhaupt, so wird von der Bundesregierung ein Glyphosat-Ausstieg frühestens für den 31. Dezember 2023 angepeilt - und das dann auch noch als Insektenschutz-Programm verkauft.
Die Bundesregierung hat bisher weder eine Minderungsstrategie für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel vorgelegt noch ein überzeugendes Insektenschutzprogramm. Nicht einmal das Verbot für Privatanwender, das es zum Beispiel in Frankreich längst gibt, ist umgesetzt, obwohl darüber laut Ministerium angeblich seit Monaten „Verhandlungen“ laufen. Auch das im Agrarausschuss lange versprochene Sikkationsverbot und die notwendigen Beschränkungen von Stoppelbearbeitung, Vorsaatbehandlung und Anwendungen im Grünland lassen auf sich warten.
Bienen-Schutz stoppt an der Lobby-Wand
Der Zeitverzug bei der Glyphosat- und Pestizidminderungsstrategie ist beabsichtigt. Ministerin Klöckner hält zwar Sonntagsreden gegen das Bienen-Sterben, lässt aber gleichzeitig den dringend erforderlichen Glyphosat-Ausstieg voll gegen die Lobbywand laufen. Das Nichtstun hat System: In den letzten zwei Jahren wurden Ersatz-Pestizide entwickelt, statt - wie ebenfalls versprochen - nicht-chemische Pflanzenschutzmittel zu fördern. Und Bayer sowie weitere Hersteller haben inzwischen in aller Seelenruhe ein neues Zulassungsverfahren für Glyphosat für die Zeit nach 2023 gestartet.
Versprochen und gebrochen - das gilt derzeit für alle "Eckpunkte" die Ministerin Klöckner 2018 angehen wollte. Hier Beispiele:
1. Eine systematische Minderungsstrategie sollte den Einsatz von glyphosathaltigen Mitteln deutlich einschränken und dann so schnell wie möglich beenden. Dies ist auch ausdrücklich zum Schutz der Biodiversität im Koalitionsvertrag so vereinbart
2. Verbot der Glyphosatanwendung für den privaten Gebrauch. Sollte dies doch noch kommen, so darf der Preis auf keinen Fall sein, dass dafür dann die EU-Zulassung für den professionellen Gebrauch - und damit für den Großteil der Nutzung - verlängert wird.
3. Profis mit Sachkundenachweis, wie Berufsgärtner, sollten Glyphosat nur anwenden, wenn es keine nicht-chemische Alternativen gibt.
4. Massive Einschränkungen für den Einsatz von Glyphosat auch in der Landwirtschaft - nur wenn die Ernte komplett in Gefahr wäre, sollte es noch Ausnahmen unter strengen Bedingungen geben.
Nichts davon wurde umgesetzt.
Bäuerinnen und Bauern warten vergeblich auf Ausstiegs-Pläne und Hilfen
Auch die Bäuerinnen und Bauern lässt die Agrarministerin im Stich, denn die brauchen neben einem verbindlichen Enddatum vor allem einen konkreten Plan und ökologische Alternativen für den schrittweisen Ausstieg. Glyphosat steht damit für ein dramatisches Versagen der großen Koalition. Und um die Insekten, Vögel und viele andere Arten zu retten, braucht es eine flächendeckende Reduktion aller Pestizide als Teil einer umfassenden Agrarwende. Auf EU-Ebene versucht Ministerin Klöckner aber gerade, den Green Deal auszuhebeln und angestrebte Pestizidreduktion um 50 Prozent bis 2030 zu verhindern.
Harald Ebner fragt nach
Harald Ebner, Obmann der Grünen im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, wollte wissen: Wie steht es mit der lange angekündigten Ausstiegsstrategie für Pestizide - und mit dem Glyphosatausstieg? Die Antwort von Ministerin Julia Klöckner sei schlicht eine Bankrott-Erklärung, erklärt Ebner:
"Ministerin Klöckner ist beim Thema Pestizidreduktion ein Totalausfall. Die Bundesregierung hat aktuell auf Nachfrage eingeräumt, dass sie auch 2020 keine Schritte zur Minderung des Glyphosateinsatzes unternehmen wird. Noch nicht einmal die Ressortabstimmung zur Umsetzung der Minderungsstrategie bei Glyphosat hat bislang begonnen, entgegen der Ankündigung der Bundesregierung vom letzten Jahr, dass ab 2020 der Einsatz glyphosathaltiger Mittel deutlich eingeschränkt werden soll. Damit setzt die Große Koalition ihren jahrelangen Kurs der Handlungsverweigerung bei der Reduktion von Glyphosat und anderen Pestiziden fort. Gründe für den Stillstand werden nicht offengelegt.
So ist wird immer fraglicher, ob der im Koalitionsvertrag versprochene Glyphosatausstieg überhaupt noch in dieser Legislaturperiode gestartet wird. Das ist grob fahrlässig angesichts der Tatsache, dass die Zulassungsverlängerung von Glyphosat wegen der möglichen Krebsgefahr des Wirkstoffs keinesfalls sicher ist. Union und SPD lassen hier hunderttausende Betriebe, welche dringend Unterstützung beim Umstieg auf giftfreie Beikrautregulierung brauchen, im Regen stehen.
Hinzu kommt Klöckners Blockade bei der Umsetzung der Beschlüsse des Aktionsprogramms Insektenschutz, wo das Bundeslandwirtschaftsministerium keine Grüne dafür nennen kann oder will, warum es noch keine Verordnungsvorschläge zur Beschränkung des Einsatzes von Pestiziden in FFH- und Naturschutzgebieten vorgelegt hat. Bienenschutz verkommt bei der Bundesregierung immer mehr zum Thema für Sonntagsreden."
Harald Ebner hat Ende November zwei Schriftliche Fragen an die Bundesregierung zum Umsetzungsstand des Glyphosatausstiegs und zur Umsetzung der Eckpunkte des Aktionsprogramms Insektenschutz gestellt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, auf Schriftliche Fragen von Abgeordneten zu antworten. Die Antwort des Ministeriums hier: https://t1p.de/nbeb
Gerade in einer Zeit, in der Europa in besonderer Weise Stabilität braucht, muss die Gesamtverantwortung über Partikularinteressen stehen.
Mein Audio ist für euch in der Überschrift verlinkt.
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